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Geschichte des Englischen Seminars an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

kg iv b/w ©sillerAnfänge

Im Juli 2008 feierte das Englische Seminar 200 Jahre Englisch an der Universität Freiburg. Nun ist es zwar wahr, dass Professor von Rotteck, übrigens ein Staatsrechtler, im Jahre 1808 unter der Rubrik ‚Exerzitien' im Vorlesungsverzeichnis der Universität einen Konversationskurs in englischer Sprache angeboten hat. Die Etablierung der Anglistik als eigenständige Disziplin hat jedoch noch fast einhundert Jahre in Anspruch genommen. So wurde das Fach zunächst formal als eine Unterdisziplin der Germanistik zugeordnet, und auch nachdem die Anglistik offiziell mit eigens ausgewiesenen Stellen bedacht worden war, blieb die strukturelle Verankerung zunächst eher kümmerlich. Von 1911 bis zum Beginn der Bundesrepublik standen der Anglistik gerade einmal eine Professur und ein Lektorat zur Verfügung, die aber mit Professor Friedrich Brie und ausgewählten native speakers wenigstens gut besetzt waren.

Der Wiederaufbau nach 1945 – Bauten, Räumlichkeiten, heutiger Zustand

Die Nachkriegszeit brachte eine Phase der stetigen Expansion des Faches. Das Englische Seminar ist im Zeitraum seit 1945 in verschiedenen Gebäuden im Universitätszentrum untergebracht gewesen. Die Umzüge resultierten aus den Beschädigungen von Gebäuden durch das Kriegsgeschehen und der Errichtung neuer Gebäude sowie dem Anwachsen des Seminars, das einen erhöhten Raumbedarf nach sich zog.

Nach dem Krieg war das Seminar zunächst in verschiedenen Räumen im Obergeschoss des KG I untergebracht: ein Raum diente als Büro für den damals einzigen Lehrstuhlinhaber Professor Heuer, die anderen als Bibliothek und Arbeitsräume. Im Zuge der Berufung von Professor Pilch als zweitem anglistischen Lehrstuhlinhaber und von Professor Link auf einen neuen amerikanistischen Lehrstuhl wurde dem personellen Ausbau des Seminars auch räumlich Rechnung getragen: das Seminar zog 1961 vom KG I in mehrere angemietete Etagen des Gebäudes Rotteckring 4 um. Über der im Erdgeschoss befindlichen Apotheke wurde der Lehrstuhl von Professor Link untergebracht, im zweiten Stock der Lehrstuhl von Professor Pilch, im dritten Stock die Assistenten und im vierten Stock der Lehrstuhl von Professor Heuer. Die Bibliothek war auf alle Etagen verteilt, wobei die Bestände der inhaltlichen Ausrichtung des jeweiligen Lehrstuhls entsprachen.

Die weitere Expansion des Seminars (Anwachsen der Studierendenzahlen und die Berufung der Professoren Goetsch, Erzgräber und Schopf) machte die zusätzliche Anmietung von Räumen nötig, die man in unmittelbarer Nähe im Gebäude Bertoldstraße 33 fand. Damit war das Seminar ab Ende der 1960er Jahre auf zwei Gebäude verteilt. In den 1980er Jahren strebte die Universität aus Kostengründen an, möglichst viele der angemieteten Gebäude aufzugeben. Mit dem Auszug der Musikhochschule aus dem zentral gelegenen universitätseigenen „Haus zur Lieben Hand" ergab sich 1983 die Möglichkeit für die Universität, Mietkosten zu senken, indem einem Teil des Englischen Seminars der Umzug vom Rotteckring 4 in das „Haus zu Lieben Hand" ermöglicht wurde: die Bibliotheksbestände des Seminars wurden dort zusammengeführt und verschiedene Büros bezogen. Der Einzug des Seminars in das „Haus zur Lieben Hand" musste wegen der damaligen Gefahr von Hausbesetzungen durch Anhänger*innen der Freiburger Alternativszene am selben Tag erfolgen wie der Auszug der Musikhochschule – selbst ein Leerstand von nur einem Tag wurde damals als zu prekär empfunden.

Durch den Umbau der Alten Universitätsbibliothek im Laufe der 1980er Jahre wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, das Seminar wieder unter einem Dach zusammen zu führen: 1986 zog das Englische Seminar aus der Bertoldstraße 33 bzw. dem „Haus zur Lieben Hand" in das KG IV ein, wo bis heute die Räumlichkeiten des Seminars im Erdgeschoss sowie im ersten und zweiten Stock angesiedelt sind. Dem Seminar gehören 6 Professuren, etwa 25 wissenschaftliche Mitarbeiter*innen sowie um die 50 Hilfskräfte, Tutor*innen, Verwaltungsangestellte, Sekretärinnen und Gastwissenschaftler*innen an. Der anglistische Teil der Bibliothek mit etwa 60 000 Bänden verteilt sich auf zwei große Räume in der Seminarbibliothek (auf 319 qm). Unberücksichtigt blieb bei der planerischen Gestaltung des KG IV leider die Einrichtung von Sozialräumen. Trotz der Größe des Instituts gibt es z.B. keinen Aufenthaltsraum. Dessen Existenz wird heute von den Anglist*innen und Amerikanist*innen besonders vermisst, da aus deren Studien- und Arbeitserfahrung an anglo-amerikanischen Universitäten die gemeinschaftsfördernde Einrichtung eines common room wohl bekannt ist.

Strukturwandel des Faches

Das Fach ist seit seiner offiziellen Einrichtung an der Universität Ende des 19. Jahrhunderts als Englische Philologie angelegt: Sprachwissenschaft und Sprachgeschichte sowie Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte gehören von jeher zu den Grundpfeilern der Lehre und Forschung im Seminar. Daneben spielte schon immer die Vermittlung von sprachpraktischen Fertigkeiten eine große Rolle. Seit Beginn des Millenniums fanden auch kulturwissenschaftliche Inhalte stärkere Berücksichtigung und sind mittlerweile integraler Bestandteil in Forschung und Lehre am Englischen Seminar. Darüber hinaus hat sich der geographische Fokus des Faches geweitet und umfasst nun zunehmend auch die englischsprachigen Literaturen und Kulturen sowie Varietäten der englischen Sprache außerhalb Großbritanniens und Nordamerikas.

Auch ist die Anglistik in den letzten vier Jahrzehnten zu einem Massenfach angewachsen. Dies drückt sich nicht nur in einem Anstieg der Stellen der Professuren und wissenschaftlichen Mitarbeitenden aus, sondern auch insbesondere in den stark gestiegenen Studierendenzahlen: Während um 1990 die Zahl der Immatrikulierten um die 1200 lag, sind in den letzten Jahren durchschnittlich etwa 2500 Studierende am Seminar eingeschrieben. Dabei studieren etwa zwei Drittel Englisch im Hauptfach und nur ein Drittel im Nebenfach; etwas mehr als die Hälfte studieren Lehramt und die anderen einen der Master of Arts Studiengänge. Diese spezialisierten, fachinternen und interdisziplinären Masterstudiengänge in Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaft wurden 2007/08 im Zuge der Implementierung des Bologna-Prozesses eingerichtet.

Wissenschaftliches Profil

Das Englische Seminar der Universität Freiburg ist in Deutschland und darüber hinaus für seinen hohen wissenschaftlichen Standard bekannt. In jüngster Vergangenheit waren und sind Freiburger Anglist*innen maßgeblich an zwei der innerhalb der Universität etablierten Sonderforschungsbereiche und an zwei Graduiertenkollegs beteiligt. Bei der Einrichtung des Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) als festem Baustein bei der Aufwertung zur Elite-Universität wurde gerade auch das wissenschaftliche Personal des Englischen Seminars umfassend berücksichtigt. Mit dem FRIAS und dessen ausländischen und deutschen Spitzenforscher*innen steht Freiburg in der weltweiten Spitzengruppe der internationalen Forschungsuniversitäten auf Augenhöhe.

Darüber hinaus kann das Seminar eine lange Liste mit Ehrungen, Mitgliedschaften und Preisen aufweisen, die seinen Mitgliedern zuteil wurden: Bundesverdienstkreuz am Band, Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Ehrendoktorate der University of Massachusetts, der University of St. Andrews, und der Universität Iasi, Fachgutachter der DFG, Mitglied im Wissenschaftsrat, Landesforschungspreis für Grundlagenforschung des Landes Baden-Württemberg, Landeslehrpreis.

Entwicklung der Lehre

Die Ausrichtung der vermittelten Inhalte ist am Englischen Seminar relativ konstant geblieben: Es wird akademischer Unterricht im Bereich der Sprachwissenschaft, der Literaturwissenschaft und der Sprachkompetenz einschließlich der Landeskunde erteilt. Innerhalb der Sprachwissenschaft nehmen Themen aus der Synchronie heute mehr Raum ein als früher, und in der Literaturwissenschaft werden verstärkt kultur- und medienwissenschaftliche Inhalte vermittelt. Die sprachpraktische Lehre wird seit langem ausschließlich von native speakers erteilt, wobei die Herkunft der Lektor*innen verschiedene Varietäten des Englischen spiegelt.

„Englisch lernt man im Schwarzwald am besten"

So betitelte einst das Magazin Focus seinen Bericht über die Rangliste der deutschen Anglistik- und Amerikanistik-Institute an den deutschen Universitäten. Zwar geht es bei dem Studium der englischen Philologie um mehr als die Perfektionierung sprachpraktischer Fertigkeiten: literatur-, sprach- und kulturwissenschaftliche Inhalte nehmen selbstverständlich in den Curricula den breitesten Raum ein. Eindeutig Recht hat der Focus jedoch mit seiner Einschätzung der Position des Englischen Seminars der Universität Freiburg: dass hier sowohl Forschung, Lehre und Betreuung der Studierenden wie auch die materielle Ausstattung (insbesondere der Bibliothek) absolute Spitzenpositionen im deutschen und auch transnationalen Vergleich einnehmen, ist in den vergangenen Jahrzehnten, in dem Rankings und Ratings auch in Deutschland zunehmend Verbreitung und Beachtung gefunden haben, durch eine Vielzahl verschiedener Umfragen dokumentiert worden.

Auf die Herausforderungen des Bologna-Prozesses und die politische Forderung nach Einführung eines gestuften Studiensystems nach anglo-amerikanischen Vorbild hat das Seminar zügig reagiert. Nach einer Phase der intensiven Diskussion um die Konzeption der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge und einer Neuausrichtung eines stärker konturierten Promotionsstudiums hat das Englische Seminar als eines der ersten großen Institute der Universität mit der Einführung der neuen Studiengänge begonnen.